Von Hoffnungslosigkeit zu Häusern der Hoffnung und humanitären Korridoren

“Wärmstens empfohlen von unserem Synodevorsitzenden, Pfr. Steven H. Fuite”

 

Wirkliche Verzweiflung!

Ganze Leben verwüstet, ohne Hoffnung (?).

Der Krieg im Nahen Osten hat den Flüchtlingszustrom in den Nachbarländern, aber auch Richtung Europa anschwellen lassen. 2015 beantragten 1.255.640 Menschen in Europa Asyl. In Panik schloss Europa seine Grenzen.

Die Flüchtlingsrouten werden immer gefährlicher.

Auch Belgien erlebte einen Anstieg der Asylbewerber (35.476 Anträge).

 

 

 

Diese grauenhaften Zustände konnten und durften die Kirche nicht unberührt lassen. Schnell beschloss die VPKB, durch ihre Gemeinden Hilfe anzubieten. Man entschied sich für Unterstützung von anerkannten Flüchtlingen bei der Wohnungssuche. Sie müssen nach ihrer Anerkennung innerhalb von zwei Monaten selber eine Unterkunft finden und das Auffangzentrum verlassen.

                                                                                                                                                                         Daily Mail

Die geplante Hilfe von Häuser der Hoffnung bestand darin, drei Monatsmieten vorzuschießen, um so die Zeit bis zur Entscheidung des ÖSHZ, finanzielle Unterstützung zu gewähren, zu überbrücken. Auch ein Zuschuss für die Wohnungseinrichtung und andere Kosten wie z. B. den Schulbesuch der Kinder war möglich. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden folgende Schritte unternommen:

A. Die Aktion Häuser der Hoffnung wurde in allen Gemeinden der VPKB bekannt gemacht und es wurde um finanzielle Unterstützung gebeten:

Ergebnis: Bisher kamen fast 90.000 € zusammen.

B. Presbyterien und Protestantische Soziale Zentren wurden gebeten, Paten zu werden und die Flüchtlingen bei Wohnungssuche und Integration zu unterstützen.

Ergebnis: Es wurden 35 Patengruppen gefunden.

C. Verfahren bei der Gewährung von Unterstützung: Von Anfang an ging es um Pionierarbeit, die freilich dankbar auf bereits existierenden Erfahrungen im sozialen Bereich zurückgriff. Nach einigen Anfangsproblemen, bei denen man nicht alles Nötige vorhergesehen hatte, um die Rückzahlung des Mietvorschusses sicherzustellen, ist nun geregelt, dass die Paten die Rückerstattung des geliehenen Geldes über das ÖSHZ regeln. Damit können diese Mittel erneut verwendet werden.

D.  Solidarität und Zusammenarbeit: Es entstand eine Bewegung der Solidarität, die sich vor allem in der Zusammenarbeit von verschiedenen Gemeinden und Sozialen Zentren zeigte. Kirchen, die anfangs zögerten, Verantwortung für eine Familie zu übernehmen, ‘adoptierten’ später sogar eine zweite Familie. Eine katholische Gemeinde stellte ihr leerstehendes Pfarrhaus zur Verfügung. Auch die Grenze zwischen dem französischsprachigen und dem niederländischsprachigen Teil des Landes verlor angesichts enger Kooperationen an Bedeutung.

Kurzum: Es gibt viele Gründe, dankbar zu sein. Flüchtlingen verstanden nicht, warum wir dies taten. Manchmal gab es ergreifende Reaktionen.

 

Übergangsperiode

Weil die Zeit nicht stillsteht und im Bereich der Flüchtlinge neue Situationen und Fragen entstehen, ist der Moment gekommen, zu überprüfen, ob unsere gegenwärtige Arbeitsweise verändert bzw. verbessert werden muss. Wir haben inzwischen die nötigen Erfahrungen gesammelt, die auch in der Zukunft von Nutzen sein können. Mit anderen Worten: Wie soll es weitergehen?

Wir lesen in den Zeitungen von neuen Flüchtlingsrouten, neuen Konfliktherden, kritischen Situationen auf den griechischen Inseln, der Schließung von Aufnahmelagern etc. Häuser der Hoffnung hat bereits viele Kirchgemeinden angesprochen, und es wird immer schwieriger, neue Gemeinden zu finden, die Paten für Flüchtlinge sein wollen.  Wir stellen auch fest, dass Flüchtlinge am liebsten im Zentrum des Landes wohnen wollen, obwohl die Erfahrung zeigt, dass kleinere Provinzstädte manchmal bessere Chancen zu Integration und ein größeres Angebot an bezahlbaren Wohnungen bieten.

 

Neue Herausforderungen

Der Synodale Rat reagierte im letzten Sommer positiv auf eine Anfrage von Sant’Egidio (einer italienischen katholischen Laienvereinigung), an humanitären Korridoren mitzuwirken. Diese Korridore erlauben es Flüchtlingen, sicher nach Belgien zu kommen.

Humanitäre Korridore sind eine Methode, durch nicht-staatliche Unterstützung Menschen aus den Flüchtlingslagern und den Nachbarländern von Kriegsgebieten auf eine sichere Weise hierher kommen zu lassen. Daneben rufen die Kirchen dazu auf, den Einsatz für ‘resettlement’ (Umsiedlung) zu verstärken: Dabei  nimmt die Regierung in Absprache mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) Flüchtlinge aus den Lagern auf. 2017 kamen auf diese Weise 1309 Personen nach Belgien.

Sant’Egidio hat in Italien und Frankreich bereits Tausende Flüchtlinge auf eine sichere und menschenwürdige Weise nach Europa kommen lassen. Dies geschah in Zusammenarbeit mit anderen Glaubensgemeinschaften, wozu auch die evangelischen Kirchen in den verschiedenen europäischen Ländern gehören. Die Auswahl für die humanitären Korridore geschieht in den Flüchtlingslagern im Libanon oder der Türkei mithilfe der dortigen kirchlichen  Stellen in Absprache mit Sant’Egidio.  Sie übernehmen ein erstes Screening mit den Kriterien von Schutzbedürftigkeit und Sicherheit. Die Flugreise und weitere Kosten werden von Unterstützern bezahlt. Die Flüchtlingen beantragen nach ihrer Ankunft in Belgien Asyl. Die Unterstützer kommen nach ihrer Ankunft für die Kosten für Lebenshaltung, medizinische Versorgung und Wohnung auf, bis die betreffenden Personen den Status anerkannter Flüchtlinge erhalten. Danach können sie, sofern sie noch keine Arbeit gefunden haben, beim ÖSHZ Hilfe beantragen.

 

Am 22. Dezember 2017 konnten wir im Fernsehen verfolgen, wie die evangelischen Gemeinden von Marchiennes und Courcelles “ihre” Familie in Zaventem herzlich empfingen. Ein emotionaler Moment!

Anstelle der geschätzten sechs Monate vergingen nur drei Monate, bis die Familie als Flüchtlinge offiziell anerkannt wurde. Für die VPKB spielten die Gemeinden von Courcelles und Marchiennes eine Vorreiterrolle. Inzwischen wartet die Gemeinde von Gent darauf, eine zweite Familie aufzunehmen. Auch die Gemeinde Brüssel-Museum ist bereit, eine Familie aufnehmen. Sie wollen eine besondere Kraftanstrengung unternehmen, um die nötigen finanziellen Mittel aufzubringen.

 

Der einzige Nachteil dieser positiven humanitären Methode, Flüchtlinge aufzufangen, sind die damit verbundenen Kosten. In der heuutigen Praxis muss man mit 17.500 € für eine Familie rechnen. Ist dies teuer…? Wie viel ist ein Menschenleben wert? Können die Kosten für die Aufnahme nach der Ankunft auch mit dem Staat geteilt werden?

Als die VPKB in ihrer Begeisterung noch vor Weihnachten 2017 anbot, eine der ersten beiden angekommenen Familien aufzunehmen, stellten die Organisatoren der humanitären Korridore die Frage, ob man nicht vielleicht auch eine zweite Familie aufnehmen könne. Der Synodale Rat stimmte zu, ohne dass eine völlige Deckung der Kosten gesichert war. Von den 90.000 € von Häuser der Hoffnung waren bereits fast 75.000 € für die Aufnahme von 35 Familien und die erste Familie der humanitären Korridore ausgegeben.

Örtliche Diakonie

In der Auswahlgruppe von Häuser der Hoffnung gibt es oft schwierige Diskussionen über die Bewilligung. Oft werden Härtefälle gemeldet, bei denen Hilfe wirklich nötig ist. Die Bedürftigkeit auf materiellem, finanziellem und informativem Gebiet ist oft für eine einzelne Gemeinde zu groß. Wir verweisen dann auf die Diakonie der VPKB-Gemeinden in der Umgebung. Die Theorie, dass das Geld der Diakonie ausschließlich für die eigenen Gemeindeglieder bestimmt ist, stimmt unseres Erachtens nicht. Die Zusammenarbeit von drei oder vier Gemeinden in der Diakonie brachte oft eine regelrechte Welle der Solidarität zustande. Es ist einen Versuch wert…

Wir wenden – manchmal mit einem weinenden Auge – die Kriterien streng an (anerkannte Flüchtlinge), um auf diese Weise innerhalb der Grenzen unseres Projekts funktionsfähig zu bleiben. Wir teilen jedoch unsere Sorge der Leitung der VPKB auf nationaler Ebene mit.

 

Zukunft des Projekts

Am 26. Mai findet eine Versammlung bzw. ein Projekttag der Gruppe Häuser der Hoffnung statt. Dort soll über die Zukunft nachgedacht werden.

Eine der Fragen wird lauten: Kann eine Kirche, die sich selbst ernst nimmt und Nächstenliebe verkündigt, in dieser Zeit ohne eine Aktion wie Häuser der Hoffnung existieren?

Eine andere ist: Was machen wir mit der Erfahrung, die wir im Rahmen des Projekts Häuser der Hoffnung und dem ökumenischen Pilotprojekt ‘humanitäre Korridore’ gesammelt haben?

 

Tetty Rooze und Dirk Hartkamp

 

Join the Discussion

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

arrow