Anfang 2017 war in der Kindersendung Klokhuis des niederländischen Fernsehens das ‘Lied über das Gefängnis’ zu hören. Ein Lied eines Jugendlichen, dessen Bruder im Gefängnis sitzt. Wut über die Dummheit, die dazu geführt hat, und auch Wut, weil ihm sein Bruder fehlt.
“Wie konntest du nur so dumm sein? Ich würde dich gerne hassen…”
Der Jugendliche erzählt, wie er sich bestraft fühlt und dass er bei jedem Abschied weint,
“denn du bleibst doch mein Bruder.”
Die Familie ist eine Gruppe, die bei der Bestrafung oft vergessen wird. Auch sie wird bestraft. Sie muss nicht nur längere Zeit auf Vater, Mutter, Bruder, Schwester oder Kind verzichten. Oft bedeutet dies auch einen großen finanziellen Verlust. Großeltern fühlen sich in der Verantwortung, für ihre Enkel zu sorgen. Die Frustration, die dies mit sich bringt, können sie oft nicht äußern, weil sie loyal bleiben wollen gegenüber dem, der ‘drin’ sitzt. Ganz zu schweigen von der Scham, außen am Gefängnistor stehen zu müssen. Auch sie haben das Gefühl, abgestempelt zu sein, und geraten nicht selten in Isolation.
Es ist deshalb gut, dass in diesem Jahr bei den Nationalen Tagen des Gefängnisses der Blick auf die Gefangenen und die Beziehung zu ihrer Familie gerichtet wird. Denn oft empfindet auch der Gefangene darüber Schuldgefühle. Gerade im Hinblick auf ihre Kinder haben sie den Eindruck, ihre Zeit zu vergeuden. Auf Anregung von verschiedenen Vereinigungen aus dem Gefängnisbereich sind in den Nationalen Tagen des Gefängnisses Aktivitäten geplant, die auf eine möglichst breite Weise die Gesellschaft informieren und sensibilisieren wollen. So gibt es etwa am 25. November im Bozar in Brüssel ein Programm mit Vorträgen und einem Spiel zum Nacherleben.
Auch innerhalb der VPKB haben wir dieses Jahr angefangen, die Aufmerksamkeit auf die Familienmitglieder der Gefangenen zu richten. So engagierten sich die VPKB-Gemeinden Mechelen-Zuid und Mechelen-Noord bei der ‘Actie aan de Poort’ (‘Aktion am Tor’). In Gent beteiligten sich die beiden VPKB-Gemeinden an einer vergleichbaren Aktion, ‘Dag van de gevangenisbezoeker’ (‘Tag des Gefängnidbesuchers’), http://nl.protestant.link/sermons/bezoekers-bezoeken-bij-de-gevangenis. Diese Aktion soll im März 2018 wiederholt werden. Ehrenamtliche stehen gewissermaßen ein paar Stunden lang vor dem Gefängnis, zusammen mit allen, die zu Besuch kommen. Es ist dies nicht mehr als die Einladung zum Kontakt, indem man Kaffee ausschenkt und ein kleines Geschenk mit einer Karte weitergibt. Es ist dies keine große Aktion, aber wenn dies jedes Jahr wiederholt wird, geben wir den Besuchern das Signal, dass wir ihnen zuhören. Ein solches kontinuierliches Engagement ist zudem auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen: nicht nur an die Welt außerhalb unserer Gemeinden, sondern auch an die Gemeindeglieder selbst. Diese Aktionen schaffen einen Raum, in dem Gemeindeglieder die Möglichkeit erhalten, auch ihre Geschichte zu erzählen. Auch sie haben manchmal auf die eine oder andere Art mit dem Gefängnis zu tun.
Am Schluss noch einmal zurück zum Lied. Der Jugendliche fragt sich, ob er seinen Bruder so zurückbekommt, wie er ihn kannte. Oder ob er vielleicht schlechter zurückkehren wird. Die Diskussion, ob unser Gefängnissystem, so wie wir es kennen, nicht grundlegend reformiert werden muss, wird intensiv geführt. Sind kleinere Haftanstalten nicht besser, um Rückfälle zu verhindern? Besser nicht nur für den Gefangenen, sondern auch für seine Familie und das Opfer. An diesen und den folgenden Nationalen Tagen des Gefängnisses wird diese Frage gestellt werden.
Informationen über diese Diskussion, über das Werk von Gefängnisseelsorgern und über Aktivitäten im Gefängnisbereich finden Sie über das Projekt REA.
Pfr.in Eefje van der Linden
Beauftragte Erwachsenenbildung (Niederländisches Sprachgebiet)
Gefängnisseelsorgerin Gent