Interview mit Yolande C. Bolsenbroek

1. Beschreiben Sie sich selber mit drei Worten.

Frau, Mutter, Pastorin.

2. Warum sind Sie protestantischer Christ?

An erster Stelle, weil ich in einer protestantischen Familie geboren bin. Aber auch aus persönlicher Überzeugung. Das Besondere am protestantischen Glauben ist, dass wir in aller Freiheit unsere Sicherheiten, unsere Traditionen und unsere Dogmas diskutieren dürfen. Also der kritische Geist, mit dem wir die Bibel lesen.
3. Was ist Ihr Lieblings-Bibelzitat und warum?

Da gibt es eine ganze Menge an Texten und Zitaten. Zum Beispiel Galater 3:26, die Sicht von Paulus auf die Kirche. Oder Matthäus 7:12 als fundamentale Lebensregel. Oder Philipper 4:8 über das Bewahren des Guten. Deut. 30:15 über die Entscheidung für das Leben.

Wenn ich mich aber wirklich für eine einzige Bibelstelle entscheiden müsste, wäre es Deuteronomium 30:15. Sie fasst in Worte, dass Gott freie Menschen will und beweist uns, dass wir frei sind – in Verbundenheit mit unseren Nächsten.

Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse. (Deuteronomium 30:15)

4. Was bedeutet beten für Sie?

Für mich bedeutet beten, sich an Gott zu wenden, Ihm zu vertrauen und – glücklicherweise – zu begreifen, dass wir nicht alles selber in der Hand haben. Und natürlich bedeutet beten auch, sich zu engagieren.

5. Was können Protestanten für die Welt von heute tun?

Gerade heutzutage kommt den Protestanten und der protestantischen Kirche eine wichtige Rolle in der Gesellschaft zu. Denn sie ist eine ‚offene Kirche‘ und stellt keine religiösen Anforderungen an die Leute, die zu ihr kommen. Im Zusammenhang mit den Glaubensbekenntnissen schrieb Calvin, dass man nicht „jenes Beispiel von Tyrannei einführen darf, nämlich dass jeder, der sich nicht die etablierten Formeln zu eigen machen kann, ein Ketzer ist“. Im Mittelpunkt steht die Freiheit des Gläubigen, des einzelnen Menschen.

Für uns ist die Kirche ein Ort der Ruhe, eine Oase, eine Herberge. Sie dient der Gesellschaft, indem sie eine Quelle neuer Kraft ist, ein Ort, an dem wir zusammen nach dem Sinn des Lebens suchen. Eine Kirche, die eine Antwort gibt auf die Bedürfnisse der Gesellschaft. In einer materialistischen, rationalen und individualisierten Welt gibt es mehr als je zuvor ein Bedürfnis nach Spiritualität, Mysterium und Verbundenheit. Die Kirche gibt jeder Frau und jedem Mann, wer sie oder er auch sein mögen, jeder Frau und jedem Mann, die oder der nach dem Sinn des Lebens und des Mysteriums sucht, einen Ort, der eine Beziehung zu Gott ermöglicht – zusammen mit anderen und im Dienst der Welt. Das ist die Diakonie, das ist ihr Engagement in der Welt. Wir kämpfen mutig für eine bessere Welt. Seit jeher hatten die protestantischen Kirchen eine gute, wohlwollende, aber auch kritische Beziehung zur Gesellschaft. Diese Beziehung müssen sie weiterentwickeln, auch, indem sie ein Ort der Begegnung der unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen sind.

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