Es kommt, wie es kommt

Photos : An Van der Haeghen

Nach einer 41-jährigen Karriere bei der VPKB geht Bea Baetens, Sekretärin des Synodalpräsidenten, in den Ruhestand. Wir wollten ihr einige Fragen zum Thema Glaube und Arbeit stellen. Wir waren neugierig auf ihre Meinung über die Kirche. Bea gibt uns eine entschieden positive und zukunftsorientierte Sichtweise. Und wie durch Zufall finden sich darin die Überlegungen von der Arbeitsgruppe „Zeitgenössische Kirche“ wieder.

 

Was bedeutet der Glauben für Sie konkret?

In letzter Zeit ist viel die Rede von Kontaktblasen. Es gilt die „soziale Blase“ von mal 10, mal 5 Personen.

Ich möchte über eine weitere Blase sprechen. Die Blase, in der man lebt. Die eigene kleine Welt.

Wichtig ist, dass diese Blase nicht luftdicht verschlossen bleibt, sondern dass regelmäßig Sauerstoff durch eine Luftröhre eintritt. Sonst stirbt man langsam.

Sie können diesen Sauerstoff im Gespräch, im Gebet mit Gott bekommen. Sie können es aus Seinem Wort erfahren.

Fast jeden Morgen, während ich auf den Zug von Gent nach Brüssel warte, höre ich die Sendung Eerst dit, den Bibel-Podcast des Evangelischen Rundfunks und des IZB. Bibeltexte, die dort besprochen werden oder die Sie sonntags im Gottesdienst hören, haben Sie schon 100 Mal gehört, aber es geht darum, sich immer wieder zu öffnen für das, was Gott Ihnen sagen will, wie Sie anderen helfen können, wie Sie nicht nur für sich selbst leben. Sich komplett abschotten wäre für mich eine Form des Totseins.

Sie können diesen Sauerstoff auch bekommen, indem Sie mit anderen zusammen reden. Man soll nicht im Kreis denken, sondern Gedanken und Ideen austauschen. Auf diese Weise können Sie sich auch besser in die andere Person hineindenken.

Deswegen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Luftröhre frei bleibt. Jeder hat Probleme, die manchmal so groß sind, dass man nur nach unten schauen kann und die Luftröhre ein wenig verstopft, aber dann ist es wichtig, den Kopf hoch zu halten und über seine Probleme zu reden.

 

Haben Sie diese Stelle gewählt, um sich in der Kirche zu engagieren?

Als ich nach meinem Studium in den siebziger Jahren den Arbeitsmarkt betrat, steckte die Welt in einer Wirtschaftskrise. Es gab es keine Arbeit und man musste nehmen was man kriegen konnte. Ich hatte einige Monate als Übersetzerin für eine Tourismusagentur in Brüssel gearbeitet, wo ich Broschüren für Touristen übersetzen musste. Das fand ich langweilig. Ich musst den ganzen Tag lang übersetzen, hatte kaum Kontakt mit Kollegen und saβ alleine in einem Büro.

Zum Glück suchte man 1979, kurz nach der Fusion der Kirchen, eine Übersetzerin im Kirchenbüro in der rue du Champ de Mars. Weil ich evangelisch erzogen wurde, dachte ich, warum nicht?

Ich kann kaum stillsitzen. Wenn das Protokoll des Synodalrates oder andere Dokumente übersetzt worden waren, wenn die Schablonen auf elektrischen Schreibmaschinen abgeklopft und die Schablonenmaschinen eingeschaltet worden waren (damals war das alles noch so), half ich meinem Kollegen von der Buchhaltung. Oder ich half den Kollegen der Unterrichtsabteilung. Oder ich half den Keller aufräumen. Hauptsache ich war beschäftigt. Am Anfang war ich ein Mädchen für alles. Ich bin auch der Ansicht, dass es wichtig ist, jede Arbeit richtig zu machen. Dabei hat sich mein Aufgabenbereich oft geändert.

Ich gebe zu, dass ich im Laufe der Jahre ab und zu nach anderen Arbeitgebern gesucht habe, aber es gab immer etwas, das mich davon abgehalten hat. Ungeachtet dessen habe ich immer mit vollem Engagement gearbeitet.

 

Worin besteht Ihre Arbeit?

Meine Arbeit als Sekretärin besteht ganz kurz darin die Arbeit des Synodalpräsidenten zu erleichtern. Dabei muss man proaktiv und pünktlich sein, ein Auge für Details haben und perfekt organisiert sein.

Unsere Aufgabe im Synodenbüro ist es, den Gemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrern oder Bezirksräten so viel wie möglich zu dienen… und, wenn möglich, kurzfristig auf ihre Fragen zu antworten.

Ich versuche den Menschen immer so schnell wie möglich zu helfen. Egal ob es sich um eine(n) PfarrerIn oder ein Gemeindeglied handelt. Denn ich würde es auch nett finden, wenn man mir so schnell wie möglich helfen würde.

 

Was gefällt Ihnen am besten und was am wenigsten?

Was mir am meisten gefällt ist gemeinsam darüber nachzudenken, wie man am besten mit bestimmten Themen umgeht und bei bestimmten Projekten zusammenarbeitet, wie damals in der kleinen Redaktionsgruppe von Kerkmozaïek, mit der wir sehr schöne Ergebnisse erzielen konnten, oder wie heute, in den letzten Jahren, den Synodalrat unterstützen, wo alles so transparent wie möglich läuft.

Das, was ich ungern gemacht habe (Vergangenheitsform, denn das ist schon lange nicht mehr meine Aufgabe), war die Übersetzung eines langen Berichts des Synodalrates, an dem man tagelang am Stück arbeitet. Andererseits empfand ich auch eine tiefe Genugtuung, wenn die Übersetzung endlich fertig war.

 

Wie hat sich die Kirche im Laufe der Jahre geändert?

Im Laufe der Jahre kann man feststellen, dass der Personalmangel dramatischer wird.

Die Kirche kann dadurch nicht mehr alle Aufgaben in jeder Gemeinde wahrnehmen.

Liegt es am Individualismus in unserer heutigen Gesellschaft? Weil viele ein geschäftiges Leben führen? Weil keiner sich noch für etwas engagieren will? Auf jeden Fall wird es immer schwieriger für die Kirche, um so weiter zu funktionieren.

 

Was sind für Sie die Herausforderungen für die Kirche heute?

Die heutige Gesellschaft wird immer anspruchsvoller, und das Tempo des Wandels nimmt zu. Immer mehr und immer besser – das scheint das Mantra vieler Menschen heutzutage zu sein. Und in der seltenen Freizeit, muss man genießen (mit Betonung auf “muss”). Der Egoismus nimmt zu. Viele denken nur an sich selbst.

Ein weiteres Schlagwort ist “glücklich sein”. Das obsessive Streben nach Glück. Wiederum zählt nur die eigene Person.

Dabei ist die Bibel zwar alt, aber ihre Wahrheiten sind auch für uns moderne Menschen sehr interessant und hilfreich. Eins der zentralen Botschaften der Bibel ist für mich die Nächstenliebe.

Sich für andere engagieren. Es scheint mir, dass eine große Herausforderung für die Kirche darin besteht, immer wieder zu versuchen, das Interesse an der Bibel zu wecken, indem wir klar zum Ausdruck bringen, wofür wir stehen, und gleichzeitig für den anderen bereit zu sein, um etwas für die Gesellschaft tun zu können.

Vielleicht leichter gesagt als getan, aber das Ziel und damit die Zukunft der Kirche und der Gemeinden liegt in ihrer gesellschaftlichen Relevanz. Jede Gemeinde muss für sich selbst ausfüllen, wie sie gesellschaftlich relevant sein kann. Nur so bleiben Gemeinden lebendig.

 

Gibt es Errungenschaften der Kirche, über die Sie sich besonders freuen?

Das Schöne an unserer Kirche ist, dass es immer möglich ist, über Veränderungen nachzudenken, und dass die Kirche sich anpasst (wenn auch manchmal etwas langsam). Wenn etwas nicht gut läuft, ist man offen für Verbesserungen. Leichtere Strukturen zum Beispiel, wie die Neueinteilung von Kommissionen und Arbeitsgruppen vor 20 Jahren. Andere Themen wie die Zusammenlegung von Gemeinden, Hausgemeinden und die Neuverteilung der pastoralen Aufgaben wurden schon vor langer Zeit diskutiert, aber auf Anregung der Arbeitsgruppe „zeitgemäβe Kirche“ (bestehend aus Delegierten aus allen Bezirken) wurde dieses Thema wieder aus dem Staub geholt. Was früher nur ein Gedankenspiel war, wird bald konkretere Formen annehmen. Die Kirche muss sich der Realität stellen.

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Kirche?

Die Kirche wird oft mit einem Segelschiff verglichen. Und wer würde nicht von einem großen Schiff träumen, das mit vollen Segeln fährt? Aber heute ist das Gegenteil der Fall. Unsere VPKB ist ein kleines Schiff, das mit viel gutem Willen und im Laufe der Jahre mit immer weniger finanziellen Mitteln und Arbeitskräften gewartet wird. Ich frage mich schon lange, wo das hingehen soll.

Aber dann las ich einen schönen Artikel des jetzigen Verantwortlichen für die (Kirchen)Ämter. Der Artikel hat mir richtig Mut gemacht. Ich habe verstanden, dass nicht wir, sondern Gott, unsere Kirche in seinen Händen hält. Wir können nur unser Bestes tun, aber letztlich haben wir keine endgültige Verantwortung für die Zukunft der Kirche.

Ein weiterer ermutigender Gedanke stammt aus einer Predigt unseres Pfarrers in Gent (die Gemeinde Gent-Brabantdam) vor nicht allzu langer Zeit, in der dieses Thema am Rande erörtert wurde: Es geht nicht um das Schiff selbst, sondern um die Gruppe gläubiger Menschen verschiedener Konfessionen, die mit uns fahren. Diese Gruppe, sei sie noch so klein, wird immer existieren und allen Stürmen trotzen.

Ich bin von diesen beiden Gedanken fest überzeugt.

 

Also, Fazit: Et kütt, wie et kütt (Es kommt, wie es kommt), wie man in Köln, der Heimatstadt meiner Mutter, sagt.

 

Bea Baetens  30.08.2020

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